Grafische Abstimmung
Interview mit dem Zeichner Cyril Bonin
Wie sind Sie zu "Quintett" gekommen?
Frank Giroud hatte mich vor ein paar Jahren einmal gefragt, ob ich an "Zehn Gebote" mitwirken möchte. Damals arbeitete ich mit Roger Seiter an "Fog" und war damit ausgelastet. 2003 schickte Frank mir die Szenarios von "Quintett". Ich war sofort eingenommen, sowohl von den verschiedenen Geschichten als auch von der Originalität des Ganzen.
Sie wussten von vornherein, wer die geheimnisvolle Person war, um die es in Kapitel 5 geht?
Ja! Ich kann nicht arbeiten, wenn ich nicht weiß, welche Botschaft eine Erzählung trägt und ob sie mir zusagt. Franks Konzept hat mich überwältigt. Er kommt zu einem völlig überraschenden Ende und berührt eine Frage, die jeden von uns angeht.
Haben sich die Zeichner im Guten geeinigt, wer welche Geschichte übernimmt, oder gab es Kämpfe?
Zum Glück wollte jeder etwas anderes, und so gab es keine Diskussion. Ich war sofort für Dora Mars entflammt. Ich hatte gerade einen Film über Mata Hari gesehen, der mich sehr beeindruckt hatte. Mata Hari lebte zur selben Zeit wie Dora, die zwar keine Spionin ist, aber doch eine starke, ambitionierte Frau, Eigenschaften die man auch bei Mata Hari findet.
Wie war Ihre Zusammenarbeit mit Frank?
Ich bekam anfangs das Exposé aller fünf Geschichten sowie eine Charakterisierung der Figuren - auch derjenigen, die nur mal kurz durchs Bild laufen. Dazu hunderte von Fotos, die Frank vor Ort gemacht hatte, und Bücher. Dann musste abgestimmt werden, dass alle Geschichten zusammengenommen schlüssig sind. Wir hatten einen guten Berater, Florent Germaine, dem ich sehr dankbar bin. Er weiß alles über Uniformen, Dienstgrade usw.
War das nicht ein enges Korsett?
Sicher enger als bei "Fog". Roger Seiters Szenarios sind nicht so genau wie die von Frank Giroud; sie bestehen weitgehend aus den Dialogen und ein paar Angaben zum Seitenaufbau. Ich war bei Roger völlig frei darin, wie ich die Seiten gestalte oder welche Bildeinstellungen ich wähle. Frank schickte mir immer zehn Seiten am Stück, mit sehr präzisen Anweisungen. Aber seine Inszenierung ist so natürlich und fließend, dass ich mich rasch in seine Geschichte einfinden konnte. Und dann war da die Fülle an Dokumentation: Ich habe zum erstenmal Militärfahrzeuge und Flugzeuge gezeichnet, und ich war dabei umgeben von einem Stapel von Büchern und Fotos. Dabei ist es eigentlich mein Ideal, mit einem Bleistift vor einem Blatt Papier an einem leeren Tisch zu sitzen.
Hat Frank einmal alle beteiligten Zeichner zusammengebracht?
Ja, zu Beginn der Arbeit, bei Dupuis. Später haben wir über Telefon und Mail kommuniziert. Und dann haben wir uns noch einmal getroffen, als es um die Gestaltung der Cover ging. Ansonsten arbeitete aber jeder für sich.
Wie ist es, wenn man sieht, wie die "eigene" Figur von anderen gezeichnet wird?
Das war spannend. Es war lustig zu sehen, wie Steve Cuzor und die anderen Dora interpretierten.
Und war es schwierig, die Figuren der anderen zu zeichnen?
Es war nicht ganz einfach. Man muss viel über diese Charaktere wissen, bevor man sie selbst zeichnet. Jeder hat seine eigene Art, wie er die Augen oder eine Nase zeichnet, und diese Eigenarten muss man kennen, damit am Ende alles passt. Die grafische Abstimmung war eine ziemliche Herausforderung.
Wer hat die geheimnisvolle Person aus Kapitel 5 definiert?
TBC, der den Band eigentlich zeichnen sollte, bevor er dann aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Das stellte uns vor ein interessantes Problem, denn wir alle zeichneten diese Person nach seinen Skizzen. Giancarlo Alessandrini, der Zeichner, der schließlich dieses Kapitel übernahm, musste also nicht alles selbst erfinden, sondern sich eher von den Vorarbeiten TBCs inspirieren lassen.