Diese Story ist ein Unding: mehrere Handlungsstränge laufen mal parallel, mal schräg, mal quer, die politische Situation ist undurchschaubar…
…und wenn doch, dann total unbegreiflich. Hugo Pratt führt auf diesen knapp 150 Seiten den ganzen tragikomischen Irrsinn des Nationalismus und seiner Kriege vor, während sein Held Corto Maltese verbissen nach seinem ewigen Schatz sucht.
Zudem sind Corto und die anderen augenscheinlich ständig high. Die Qualität des lokalen Krauts ist so außerordentlich, dass Corto von allen Frauen, die er je geliebt hat, gleichzeitig träumt (Rasputin ist beleidigt, weil er in Cortos seligen Traum nicht eingeladen wurde). Und ist der bedrohliche Doppelgänger, der türkische Rebellenführer Chevket, womöglich auch nur ein Fantasiegebilde?
Nein, Chevket ist historisch verbürgt, ebenso Enver Pascha, Kemal Atatürk und sogar der Alte vom Berg, der Ober-Haschischesser Aloadin. Auch Josef Stalin, Cortos alter Kumpel, hat einen Gastauftritt per Telefon.
In so einer mächtigen Story haben wiederum viele der von Pratt geliebten Anspielungen aus der Populärkultur Platz. Zum Beispiel der Song Strange Fruit, mit dem Billie Holiday schlagartig berühmt wurde: die Bäume in den US-Südstaaten tragen seltsame, ungenießbare Früchte in Gestalt von gehängten Schwarzen.
Erfreulicher sind die Einlagen mit dem türkischen Kaspertheater Karagöz oder die Kabbeleien zwischen den Nationalkarikaturen, der französischen Marianne und dem britischen John Bull.
In Deutschland haben wir leider keinen Hugo Pratt, dafür aber einen Goethe, der alles zu allem gesagt hat. Im Faust steht sein Rat für ein gelungenes Wochenende: „Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit in der Türkei die Völker auf einander schlagen.“
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