André Juillard hatte bereits viele Jahre als Comiczeichner gearbeitet und ein rundes Dutzend Alben veröffentlicht, bevor der Erfolg an seine Tür klopfte. Er klopfte in Person von Henri Filippini, dem Programmdirektor des aufstrebenden Verlags Glénat. Um an dessen Bestseller "Reisende im Wind" anzuknüpfen, hatte Filippini Ausschau nach Zeichnern gehalten, die historische Stoffe behandeln konnten.
Der zurückhaltende, in der Verlagspolitik noch unverbrauchte Juillard schien ihm geeignet, zeichnete er doch - nach einem Szenario von Patrick Cothias - in der Zeitschrift Pif Gadget seit 1980 die Serie "Masquerouge" (dt. "Die rote Maske"). Der Stoff spielte im 17. Jahrhundert; das Thema ließ sich ausbauen. Im Oktober 1982 stellten sich Cothias und Juillard in der Glénat-Zeitschrift Circus mit einer neuen Serie vor, die alle Welt zum Staunen brachte: "Les 7 vies de l'épervier", zu deutsch "Die 7 Leben des Falken". Die Aufmerksamkeit, die André Juillard durch die Publikation in Circus erfuhr, überraschte auch ihn: "Es war eigenartig: Während ich in Pif Gadget veröffentlichte, das zu in jenen Tagen immerhin bis zu 400.000 Auflage erreichte,war ich den Leuten weit weniger bekannt als nach dem Wechsel zu Circus, das doch nur ein Zehntel dieser Auflage hatte."
Glénat gab in jenen Tagen einen Trend vor, und "Die 7 Leben des Falken" war dazu auserkoren, diesen Trend zu untermauern. Um das Thema Historiencomic zu forcieren, hatte Filippini eine zweite Zeitschrift in Planung, eine Zeitschrift, die allein diesem Stoff dienen sollte und die das Konzept schon im Namen trug: Vécu. "Vécu" heißt gleichzeitig "Vergangenes" und "Erlebtes". André Juillard war inzwischen so bekannt, dass er das Aushängeschild der neuen Zeitschrift werden sollte, aber nicht mit "Die 7 Leben des Falken", sondern mit seiner neuen Serie "Arno", deren erster Teil bereits in Circus zu sehen gewesen war. "Arno" stammte aus der Feder von Jacques Martin ("Alix"), dem Altmeister des Historiencomic. Zu ihm war Juillard durch die Vermittlung von Jean-Pierre Dionnet, dem Chefredakteur von Métal Hurlant, gekommen, der ebenfalls ein dem Abenteuergenre gewidmetes Magazin in Planung hatte.
Dass Martin sich für ihn entschieden hatte, schmeichelte Juillard (war er doch mit "Alix" aufgewachsen), aber er hatte auch Bedenken, dass die Person des Napoleon zu sehr im Vordergrund stehen würde: "Jacques Martin ist von großen Männern wie Napoleon oder Cäsar beeindruckt, ich dagegen weit weniger. Also habe ich auch kein großes Interesse daran, die Lebensgeschichten historischer Persönlichkeiten zu zeichnen. Was mir am Historiencomic gefällt, ist weniger die Geschichte als das Pittoreske, das Ambiente, die Kostüme und die Architektur." Ein Historiencomic - das ist kein "Illustrierter Klassiker", keine gezeichnete Biografie, sondern ein epischer Comic mit fiktivem Inhalt, der als Folie bekannte Szenarien, Personen und architektonische Dekors aus der Vergangenheit nutzt. Als Genre sind Historiencomics eine Unterschublade zum Abenteuer, sie basieren aber - anders als "Sigurd" oder "Ritter Roland" - auf ausgiebigen Recherchen zu historischen Fakten. Der Protagonist bewegt sich auf dem Boden mehr oder weniger bekannter Ereignisse, aber es ist vordergründig seine persönliche Geschichte, die hier beschrieben wird, nicht die historisch überlieferte Geschichte.
Martins Comic setzt zeitlich ein mit dem Italienfeldzug Napoleons von 1796/97; das Ende sollte - den Wünschen des Autors nach - bei seiner Verbannung und dem Tod auf Sankt Helena liegen. Der junge Musiker, auf dessen Spiel der Eroberer aufmerksam wird, trägt den Namen Arno Firenze - Arno, das ist der Fluss, der durch Florenz, auf italienisch Firenze, fließt. Doch 1797 sind wir nicht in der Toskana, sondern in Norditalien. Juillard zeigt wenig von Venedig - den Canal Grande, die Lagune - , aber das, was auf diesen wenigen Seiten passiert, hat Einfluss: Wenn Jean Dufaux und Griffo fünfzehn Jahre später ihren Comic "Giacomo C." in die Welt setzen, spürt man den Vorgänger deutlich. Überhaupt wirkte Juillard in diesen Jahren stilbildend. Man bewunderte allgemein die "klassische Eleganz" seines Strichs; junge Comiczeichner nicht nur in Frankreich versuchten ihm nachzueifern. So entstand damals eine mehrgliedrige Erneuerung des Comic: Plötzlich gab es neue Themen, neue Zeichenstile, nicht zuletzt aber auch einen neuen Verlag mit neuen Ideen und ein neues, all das forderndes Publikum.
Der Historiencomic erweiterte den erzählerischen Spielraum. Martin hatte das schon in den 40er und 50er Jahren mit "Alix" vorgemacht: Der Held einer Serie wird nicht nur in eine andere Zeit versetzt, er reist auch in dieser Zeit und vermittelt dem Leser eine Bandbreite an Eindrücken, die über die Schilderung einer gewählten Region hinausgeht. Der Leser lernt die Welt von gestern kennen. Das klingt pädagogisch, und so war es vermutlich auch noch bei "Alix" intendiert. Der Leser, der in den 80ern Circus und Vécu kaufte, war indes den Kinderschuhen entwachsen. Was er durch seine Comiclektüre lernte, bewegte sich auf einem anderen Level: Das galt für die Feinheit der historischen Zusammenhänge ebenso wie dafür, dass die neuen Historiencomics Themen anschnitten, die in den 50ern tabu gewesen waren - so zum Beispiel die Erotik der zwischenmenschlichen Beziehung.